Inzidenzpolitik irrational und verfassungswidrig

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Stand: 28. Februar, 2021

“Die Politik hat in ihrem Corona-Furor jedes Maß verloren” titelt Dietrich Murswiek einen Kommentar, erschienen in der Welt[1]https://www.welt.de/debatte/kommentare/plus227153311/Lockdown-Die-Politik-hat-in-ihrem-Corona-Furor-jedes-Mass-verloren.html(Bezahlschranke). Der Rechtswissenschaftler rechnet mit dem “Inzidenzwertfetischismus ” der Bundesregierung ab:

Eine derartige massenhafte Freiheitsbeschränkung für Menschen, von denen keinerlei Gefahr ausgeht, ist historisch ohne Vorbild. Zur Abwehr von Gefahren dürfen im Rechtsstaat grundsätzlich nur die Verursacher der Gefahr „in Anspruch genommen“, in ihrer Freiheit beschränkt werden. Die Inanspruchnahme von „Nichtstörern“, wie im Juristendeutsch die für die Gefahr nicht verantwortlichen Menschen heißen, ist nur in Notstandslagen, wenn also die Gefahr gar nicht anders abgewendet werden kann, für begrenzte Zeit zulässig.

Die Freiheit von 83 Millionen Menschen, die für die abzuwehrende Gefahr nicht verantwortlich sind, einzuschränken, ist ein so extremer Ausnahmezustand, dass es für den Rechtsstaat tödlich sein könnte, würde man sich an ihn gewöhnen und ihn als normal akzeptieren. Innerhalb eines Corona-Jahres sind jetzt ein halbes Jahr Gaststätten, Hotels und andere Betriebe geschlossen.

Die Politik hat in ihrem Corona-Furor jedes Maß verloren. Politikersprüche wie „Jeder Tote ist ein Toter zu viel“ oder „Leben ist das höchste Gut“ führten in eine Haltung der Verabsolutierung des Lebensschutzes. Das ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Völlig zu Recht ist noch niemand auf die Idee gekommen, bei jeder Grippewelle einen Lockdown anzuordnen oder den Autoverkehr ganz zu verbieten.[…]

Die von der Bundesregierung jetzt verfolgte Inzidenzpolitik ist irrational und verfassungswidrig. Die Inzidenzwerte sagen für sich genommen über die Gefahrenlage nichts aus. Die Politik kann sie nach Belieben erhöhen oder senken, indem sie mehr oder weniger testet. Und sie reflektieren in keiner Weise das Gewicht der Freiheitseinschränkungen und der immensen Kollateralschäden eines Lockdowns. Sie sind deshalb nicht geeignet, Grundrechtseinschränkungen zu rechtfertigen, schon gar nicht so umfangreiche wie einen Lockdown.[…]

Der Inzidenzwertfetischismus der Regierung muss jetzt abdanken. Die Ministerpräsidenten sollten wissen: Wenn sie bei der nächsten Konferenz am 3. März noch immer Angela Merkel auf das Inzidenzwertglatteis folgen, wird man ihnen nicht mehr abnehmen, dass sie sich über die Rechtswidrigkeit ihres Tuns nicht im Klaren waren.

Stand: 28.02.2021, 16:30 Uhr

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