Stand: 8. Januar, 2021
Wer ist verantwortlich für die Gewährleistung der Gesundheitsversorgung? Für Rechtsanwalt Dr. Justus Hoffmann, Mitglied des Corona-Ausschusses, ist die Antwort klar. In einer bemerkenswert geradlinigen Ausführung zu angewandten Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit legt er das Versagen der Regierung offen.
Profitstreben
Das deutsche Gesundheitssystem ist über Jahrzehnte kaputtgespart worden. Privatisierungen, Fallpauschalen und auf Profit getrimmte Kliniken haben eine Umgebung geschaffen, in der nicht das Patientenwohl, sondern Gewinne im Vordergrund stehen. Die stationäre Pflege ist dramatisch unterbesetzt, es fehlen mindestens 100.000 Vollzeitstellen[1][2].
Es ist der Patientenversorgung nicht dienlich, wenn das Gesundheitswesen sich an Profit statt Fürsorge orientiert. Dabei schließt eine Fokussierung auf das Patientenwohl wirtschaftliche Sorgfalt keineswegs aus: Es muss nicht mehr Geld ausgegeben werden, als es zur Heilung des Patienten braucht, aber es darf eben nicht weniger sein.
Ein Krankenhaus muss sich nicht in erster Linie rechnen, sondern für die Gesundheit zuständig sein.
Gregor Gysi
Verantwortung für ein ruiniertes System
Justus Hoffmann spaziert in seinem bemerkenswerten Gedankengang weiter entlang der Allee staatlichen Versagens und fragt: Wer muss für die Konsequenzen eines ruinierten Gesundheitssystems gerade stehen?
Das Infektionsschutzgesetz (Bevölkerungsschutzgesetz) zielt darauf ab, eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden, das ist die Grundlage. Es geht nicht in erster Linie darum, jede Infektion – auch nicht jeden Todesfall – zu vermeiden. Nein, die Verhinderung der Überlastung des Gesundheitssystems ist das Ziel. Wenn der Staat eben jenes ruiniert hat, wer trägt dann Verantwortung für die Konsequenzen?
Im Jahre 2020 werden viele Maßnahmen verhangen, um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden. Lockdowns und alle weiteren Einschränkungen müssen also dem Erhalt des Gesundheitssystems dienen. Worauf sind aber inhaltlich die Maßnahmen ausgerichtet?
Geht es bei den Maßnahmen um Pflegekräftemangelbehebung, Intensivbetten, Arbeitsbedingungen und medizinische Gerätschaften? Oder zielen die gravierendsten Grundrechtseingriffe in der Geschichte der Bundesrepublik eher auf Einschränkungen des öffentlichen und privaten Lebens? Der Bürger soll sich absondern, zu Hause einschließen und sein soziales Wesen beerdigen. Im Jahre 2020 ist jeder individuell verantwortlich für den Erhalt des Gesundheitssystems. Der Staat hat seine Verantwortung abgewälzt, für einen Missstand, den er willentlich herbeigeführt hat.
Wir haben uns zu einem kommerzialisierten Gesundheitssystem entwickelt, in dem die optimale Intensivbettenauslastung bei 80% liegt.
Justus Hoffmann
Ökonomische Optimierung
Eine optimale Auslastung der Intensivbetten (von 80%) ist keine medizinische, sondern eine rein ökonomische Optimierung. In diesem Jahr wurden Intensivbetten abgebaut, die Zahl der absolut vorhandenen Intensivbetten sank, während die Gesamtzahl der Intensivpatienten auf dem Niveau der letzten Jahre bleibt: Gleiche Zahl an Intensivpatienten, weniger Betten.[1] Statt die medizinische Versorgung zu verbessern, will der Staat seine Bürger einsperren. Justus Hoffmann drückt das so aus:
Wenn wir es erlauben, dass der Rechtsstaat seinen originären Aufgaben nicht nachkommt, und dieses Versäumnis auf die Bevölkerung abwälzt, dann nimmt der Staat die Bevölkerung in Geiselhaft.
Justus Hoffmann
Der Staat wird’s nicht richten
Das Prinzip der Abwälzung von Verantwortung kennen wir auch von Konzernen, die sich bei Firmenübernahmen verheben, und dann in der Folge massenweise Mitarbeiter entlassen[4][5]. Ich kenne diese Logik auch aus meinem persönlichen Umfeld, in dem der Inhaber eines Blechbearbeitungsbetriebes sich weigerte, defekte Maschinen zu reparieren und so die Facharbeiter zwang, unter Umgehung von Sicherheitsmechanismen ihre Gesundheit zu gefährden, in dem sie die Maschinen riskant wieder in Gang setzten. Die Konsequenz waren mehrere Notfälle in der chirurgischen Ambulanz.
Können sich die entlassenen und die arbeitsverunfallten Mitarbeiter wehren? Ja. genau so, wie das Volk sich gegen Corona-Maßnahmen-Willkür wehren könnte. Die Angst um die gesellschaftliche Existenz aber scheint oft zu überwiegen. Zur Befreiung aus dieser Angst brauchen wir eine Rückbesinnung auf uns als aufgeklärte Bürger, aufbauend auf einem selbstbewussten Verständnis der Rollenverteilung zwischen Staat und Bürger. Justus Hoffmann gibt hierfür reichlich geistige Nahrung.
Zur Person

Rechtsanwalt in Berlin mit Tätigkeitsschwerpunkt Medizinrecht, Amtshaftungsrecht (Prüfungsverwaltungsrecht) und Verbraucherschutzrecht
Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Habilitand an der Universität Bielefeld am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Verfahrens- und Unternehmensrecht
Mitbearbeiter des Justizforschungsprojekts www.watchthecourt.org
Quellen
[1]https://www.boeckler.de/de/boeckler-impuls-krankenhauser-fallpauschalen-abschaffen-28850.htm
[2]https://www.nachdenkseiten.de/?p=66470
[3]https://www.corodok.de/intensivstationen-ideal-ausgelastet/